Es geht zu Ende - Die Tage sind gezählt

Ich melde mich wieder einmal mit allen Neuigkeiten, die sich in der letzten Zeit zusammen gesammelt haben.

Nach den Osterferien begann für Rosa und mich der Schulalltag und wir starteten in den letzten Term unseres Freiwilligendienstes. Unsere Aufgaben für dieses Quartal war es, alle Klassen im Fach Life Skills and Orientation zu benoten. Damit waren wir auch für die nächste Zeit gut beschäftigt. Manchmal kam es vor, dass uns gesagt wurde, wir sollen eine Klasse nun benoten und als wir vor dem Klassenraum standen, war die Klasse entweder verschollen, lief auf dem ganzen Schulgelände herum oder war total beschäftigt mit irgendwelchen Aufgaben.

So zog sich das Benoten Woche um Woche, aber endlich haben wir alle Klassen benotet und wir sind froh, das wir unsere Lehrer unterstützen konnten. Im Allgemeinen klingt das ganze Schuljahr langsam aus. Es ist die letzte Schulwoche und es kommen kaum Schüler mehr zur Schule, da alle Abschlussarbeiten geschrieben wurden. Während ich grade meinen Blog schreibe und aus dem Fenster schaue, sehe ich eine kinderlose, verlassene Schule. Nicht einmal mehr alle Lehrer lassen sich blicken.


Aber nun zu der vergangenen Zeit:

Ende April haben Mara und Felix, die Freiwilligen aus Bulungula, ein Rap-Tournament veranstaltet. Die Freiwilligen in Bulungula haben ein Rap-Projekt gestartet, bei dem sie die lokalen Rapgruppen aufnehmen und somit ihnen die Chance geben sich zu promoten. Nun haben die Beiden den Musikern die Möglichkeit gegeben, sich live zu präsentieren. Hierfür haben Mara und Felix die Bulungula Lodge (eine Art Hotel) gemietet und mit "MarFe-Records"-Bannern und großen Musikboxen eine wundervolle Bühne gezaubert, die viele Freiwillige sich nicht entgehen lassen konnten. So trafen wir uns alle in Bulungula.


Am Freitag war dann der große Tag. Da viele der Rapgruppen keine Telefone haben, haben Felix und Mara auf Mundpropaganda gesetzt und gehofft, dass einige Gruppen zu dem Festival kommen. Leider hat es nur eine Gruppe rechtzeitig geschafft, aber dennoch konnten sie die mit Menschen gefüllte Lodge mit ihren Reimen begeistern und im Ganzen war es ein gelungenes Konzert. Die Gesangs/Rap-Einlage von Mara und Felix war natürlich das Highlight für uns Freiwillige.

An dem Samstag wurden alle Freiwilligen zu einer traditionellen Hochzeit in dem nahegelegenem Dorf eingeladen. Das war für uns eine spannende Sache und wir mussten natürlich den Dresscode der Einheimischen akzeptieren und so putzten wir uns ein wenig raus.

Ein Xhosa-Hochzeit ist kaum zu vergleichen mit einer deutschen Hochzeit. Die Hochzeit dauert insgesamt einige Tage und es treffen sich alle Familienmitglieder und Freunde in der Hütte von dem Bräutigam. Dort wird dann in aller Ruhe ein oder mehrere Schafe geschlachtet und gemeinsam gegrillt. Dazu gibt es selbstgebrautes traditionelles Xhosa-Bier. In 30 Liter Eimer wird das Maismehl-Bier hergestellt und in kleinere 5 Liter Kanister umgefüllt, welcher anschließend in der Runde herumgereicht wird. Schmecken tut das ganze sehr ungewohnt und fade.


Die nächsten Schulwochen waren unspektakulär, aber dennoch schön für uns. Wir hatten viel Zeit mit den Kindern und haben noch eine engere Beziehung zu den Kindern aufgebaut. Viele Fotos und witzige Videos sind entstanden.

Das nächste Treffen mit allen Freiwilligen war das zweite und auch letzte Seminar in Südafrika. Wieder haben wir uns in Hogsbak getroffen. Das Seminar bestand inhaltlich hauptsächlich daraus, Erfahrungen mit den anderen Freiwilligen auszutauschen, über die vergangene Zeit nachzudenken, und sich auf die letzten Wochen und Monate vorzubereiten. Nebenbei haben wir einige wichtige Dokumente für die nächsten Freiwilligen verfasst und über unsere Erfolge und Herausforderungen geredet. Wir haben ebenfalls mit allen ein großes Volleyball-Turnier organisiert, bei dem jeder teilgenommen hat. Ich denke, dass wir alle sehr viel Spaß auf dem Seminar hatten, auch wenn Team Coffee Bay im Finale verloren hat ;-) Es war leider das letzte Mal, dass wir uns gemeinsam in dieser großen Gruppe in Südafrika gesehen haben. So langsam hat man realisiert, dass das Jahr im Nu vorbei ist.



Kurz nach dem Seminar hatten Rosa und ich noch viel zu organisieren, denn wir hatten ein Netball Turnier in Coffee Bay geplant, bei dem einige Teams der anderen Freiwilligen teilnahmen.

Wir mussten in einer Woche noch das Gras mähen, Linien ziehen, die Netballkörbe ansprühen, einen Schiedsrichter organisieren und die letzten Dinge mit dem Backpacker, in dem die Kinder geschlafen haben, regeln. Im letzten Moment hat dann doch alles funktioniert und am Freitag konnten die Teams der anderen anreisen. Der erste Programmpunkt war ein Strandspaziergang mit allen Kids. Da die Kinder aus den Städten das Wasser kaum kennen und noch nie einen Strand gesehen haben, war es für diese ein wahres Highlight. Am Samstag ging es dann an die ersten Spiele.

Erst die Gruppenphase, dann die Halbfinale und die Finale. Leider hat unser Team in dem Finale das Spielen verlernt und konnte gegen den finalen Gewinner, die Nkosinathi aus Berlin, nicht die Leistung zeigen, die es in den vorherigen Spielen gezeigt hat.

Wir haben für alle Kinder und die Betreuer einen ganzen Backpacker in Coffee Bay gemietet. Der Besitzer hat sich sehr engagiert gezeigt und sich ins Zeug gelegt. Am ersten Abend gab es eine traditionelle Tanznacht mit professionellen Tänzern. Der zweite Abend wurde von Trommeln und Pizza für alle Kinder zum spaßigen Erlebnis.


Da wir viel mit den Freiwilligen aus East London sehr viel zu tun hatten und sie mittlerweile zu unserer Familie gehören, haben wir es uns nicht nehmen lassen uns das letzte Mal in Südafrika mit allen ein Wochenende in dem schönen Chintsa zu verbringen. Gute 30 Minuten von East London entfernt liegt das kleine Dorf direkt am Meer und unser Backpacker war wirklich super. Wir haben uns mit unseren Zelten auf dem Campingplatz breit gemacht, leider waren es Nachts gefühlte Minusgrade, sodass wir nur mit Jacken und Kuschelsocken schlafen konnten. Dennoch ein schönes entspanntes Wochenende mit super netten Leuten!


Schon eine Woche darauf haben wir uns mit den Jungs von meinem Boys-Soccer-Team auf nach East London gemacht. Mit zwei Taxen ging es für uns auf die lange Fahrt. Wir waren alle sehr aufgeregt und einige meiner Jungs waren noch nie in ihrem Leben in East London. Was mich sehr gefreut hat ist, dass ich ihnen nun die Möglichkeit geben konnte. Die Entscheidung jedoch, wer von den 40 Jungs nach East London darf und wer nicht, viel mir besonders schwer, denn ich konnte nur 16 Jungs mitnehmen. Letztendlich bin ich doch zufrieden mit der Auswahl gewesen und ich konnte mit gutem Gewissen die kleineren Jungs in Coffee Bay lassen, weil ich mir sicher bin, dass sie in den nächsten Jahren mit den Freiwilligen nach East London fahren können.

In East London angekommen haben wir uns erstmal in der großen Hemmingsways-Mall ein Mittagessen gegönnt. Dann durften die Jungs das erste Mal in ihrem Leben Go-Kart fahren. Ich sage euch, die können aufs Gas drücken! Die Aufseher der Rennstrecke hatten jedenfalls eine Menge zu tun. Ich bin froh, dass es am Ende keine verletzen gab und alle Go-Karts heile geblieben sind.

Wie auch mit den Mädels vom letzten Jahr haben wir mit allen Kindern in dem Schulgebäude der A.W. Barnes in East London geschlafen. Die Jungs haben uns Nachts ganz schön auf Trapp gehalten und ich bin mir sicher, dass sie nicht viel Schlaf gehabt haben. Am nächsten Tag standen dann die Spiele an. Ich war recht zuversichtlich, denn unsere Jungs waren einer der größten auf dem Platz. Doch manchmal ist Größe eben nicht alles und so kam es, dass wir am Ende des Spieltages in jeder Gruppe nur den dritten Platz erreichten und uns somit nicht für Halbfinale qualifizierten.

Am Sonntag stand dann die Abreise an. Geplant war es früh loszufahren, doch daraus wurde nichts. Plötzlich kam Felix zu mir und berichtete mir, dass eins von seinen Kindern seine Schuhe nicht mehr finde und glaubt die Kinder aus Coffee Bay hätten sie gestohlen. Ich konnte das natürlich nicht glauben und meinte, wir werden die wieder finden. Ich war fest davon überzeugt, dass ich meinen Kindern vertrauen kann und sie nicht klauen. Ich habe sie also gefragt, ob sie irgendetwas über die verlorenen Schuhe wissen. Keiner wusste etwas. Ich bin anschließend zu einer unserer Lehrerinnen, die mit uns mitgekommen ist, gegangen und habe ihr die Situation erklärt. Sie meinte sofort, wir sollten alle Taschen der Kinder durchsuchen, dann wissen wir sicher, dass sie es nicht waren. Nachdem die Lehrerin die ersten Taschen durchsucht hatte, haben wir in einigen Rucksäcken Bleistifte und Kugelschreiber gefunden, die der A.W. Barnes gehörten. Nachdem sie alle Taschen durchsucht hatte, hatten wir auch die verlorenen Schuhe in der Hand. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich war so schockiert von meinen Kindern und mein Vertrauen zu den Kindern ist in einem Moment verloren gegangen. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Es waren natürlich nicht alle Kinder! Aber von meinen 16 Jungs wurden in 5 Taschen Diebesgut gefunden.

Auch die Lehrerin wusste nicht recht was sie tun sollte. Wir haben am Ende der Schule die Stifte, und den Kindern die Schuhe wieder gegeben und es zunächst dafür belassen. Meine Kinder wussten jedoch, dass auf sie noch eine Strafe zu kommen würde. Der Schulleiter wurde informiert und ich denke die Eltern werden ebenfalls darüber aufgeklärt.

 

Ich kann euch gar nicht sagen wie frustrierend das ist, wenn man den Jungs die Chance gibt, die Großstadt zu sehen und sie einen so enttäuschen. Einige der stehlenden Schüler waren meine Lieblingsspieler. Jetzt weiß ich nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll.

Es ist nun einmal Afrika. Die Kinder kommen nun einmal aus ärmeren Verhältnissen und ich kann verstehen, dass sie sich nach etwas sehnen, dass sie womöglich nicht haben werden. Die Kriminalität ist überall und wir wurden schließlich auf diese Situationen vorbereitet, aber dennoch wusste ich nicht was ich tun soll, und fühle mich schlecht, wenn ich darüber nachdenke, dass einige Kinder aus Coffee Bay die Sachen anderer stehlen.

Was ich viel weniger verstehe und schon beinahe ironisch finde ist, dass wir alle aus dem einen Grund in East London waren: Sport. Und Sport steht für Fairness und einen guten Umgang mit den Mitmenschen. Solche Situationen auf einem Sportevent zu erleben, macht einen einfach traurig.

Ich denke, dass die Jungs dennoch Spaß hatten und ein bisschen das Großstadtleben schnuppern konnten. Hier seht ihr einen kleinen Film, den ich zusammen geschnitten habe:




Und nun hat am Montag die letzte Schulwoche für Rosa und mich begonnen. Es waren, wie erwartet kaum noch Schüler in der Schule und die Lehrer waren alle fleißig am Klausuren korregieren. Heute, Mittwoch, den 28.06., haben Rosa und ich uns mit einer Farewell-Feier von den Lehrern und den Kindern verabschiedet. Ein kleiner Sportsday am Morgen war geplant, aber die geringe Anzahl an Kindern ließ es nicht unbedingt zu, das Geplante umzusetzen. Wir haben anschließend uns mit allen Lehrern versammelt und zusammen gegrillt. Ich muss sagen, dass es wirklich noch trauriger war, als ich dachte. Es ist schön, noch einmal seine Arbeit und seine Erfolge des ganzen Jahres Revue passieren zu lassen, doch gleichzeitig macht es einen traurig wenn man realisiert, dass DAS nun alles vorbei ist. Die ganzen Menschen, die man tagtäglich um sich herum hatte, die Kinder, SEINE Kinder, die man Tag für Tag besser kennen gelernt hat, unser schräges Sportsfield, unsere neu lackierten Netballpoles, die Schulklingel und und und... All das werde ich sehr vermissen und nie vergessen! An dieser Stelle muss ich mich noch einmal an alle Spender bedanken, die mir DAS überhaupt ermöglicht haben!

Am Freitag machen wir uns auf nach East London, denn am Samtag fliegen wir nach Johannesburg, wo wir unseren zweiten großen Roadtrip starten. Ganze 17 Tage werden wir Richtung Victoria Falls an der Grenze zu Sambia mit unseren Mietautos unterwegs sein. Ab dann beginnt für mich die letzte Woche in Coffee Bay. Ich werde mich noch einmal melden, wenn ich von dem Roadtrip zurück bin.

 

Bis dahin, ganz liebe Grüße aus Coffee Bay,

 

Euer Leon

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Kommentare: 2
  • #1

    Dirk (Donnerstag, 29 Juni 2017 21:28)

    Wieder mal ein toller Bericht von den letzten Wochen. Die "Arbeit" ist getan und jetzt habt ihr noch ein paar schöne Tage für euren Road Trip. Wir freuen uns dann auf dich in 3 1/2 Wochen.
    Bis bald...

  • #2

    Linde Petersen (Sonntag, 02 Juli 2017 08:55)

    Hallo Leon,
    herzlichen Dank für Ihren Super-Blog mit Ihren tollen Berichten!!! Auch mit den Photos und Video ermöglichen Sie uns in der Ferne, ein wenig Ihr Leben dort, die Menschen und die "Seele Afrikas" kennenzulernen.
    Ihre Enttäuschung über die Diebstähle sind nur zu gut nachvollziehbar und haben mich auch einige Zeit gedanklich beschäftigt.
    Beitragen möchte ich noch die Idee, ob neben einer Strafe für die 5 Jungs vielleicht auch eine Aktion zur Wiedergutmachung in nachhaltiger Erinnerung bleiben könnte?
    ....kann ich natürlich nicht einschätzen und weiß auch, dass Sie ja nun in der letzten (Ferien-)Woche nach Ihrem Roadtrip gar nicht mehr selbst in der Schule sein werden.
    Eine gute Zeit und dann guten Rückflug wünscht mit herzlichen Grüßen
    Linde Petersen
    (Mutter von Immo)